Nachdem ich ja Anfang Juli unsanft ausgebremst wurde, war ich eine Zeit lang ruhig(gestellt). Das ist für so einen Wippelsterz wie mich natürlich die Höchststrafe. Die drei Monate Zwangspause habe ich dann auch bereits nach einem Monat selbstständig beendet.
Da bekomme ich die Möglichkeit zur Ausbildung im Riemen-Rudern und kann nicht teilnehmen?! Nein, das geht nicht. Also kurzer Hand die mahnenden Worte vom Doc ignoriert und ab zum Training. Crashkurs von Stefan „Kunzi“ Kunz und ab ins Boot. Da versucht man sich anzutrainieren, die Beine zusammenzulassen und soll jetzt plötzlich das dem Riemen abgewandte Bein abspreizen? Und Augen im Boot geht auch nicht, wenn man den „Uhublick“ anwenden soll, nämlich dabei den Kopf in Richtung Riemen drehen und beim Vorrollen erst wieder ins Boot. Aber letztlich hat es gut geklappt und vor allem Riesenspaß gemacht. Zwei weitere Male, einmal mit Peter Daberkow und einmal mit Hans-Peter Goldscheid, durften wir in der „Stadt Neuwied“ aufs Wasser. Ich hoffe sehr, dass das Riemen-Rudern als fester Bestandteil im allgemeinen Ruderbetrieb integriert und weiter ausgebaut wird.
Und dann kommt plötzlich ein Anruf ob ich ggf. Lust und Zeit hätte, die Genf-Mannschaft im Training zu steuern. Ich? Nein! Na klar, das kann ich mir doch nicht entgehen lassen. Zumal ich ja über langjährige Steuererfahrung verfüge, in Wahrheit, zwei Mal Rhein bis km 603 und ein Mal Ruhr bzw. Baldeneysee. Aber es ist ja auch „nur“ die Genf-Mannschaft. Hab die vier Jungs jedenfalls heil bis zur 599 und zurückgebracht. Krippen ansteuern übe ich noch ein wenig. Und einem Markus Müller folgen auch. Die ein oder andere Fahrkarte sollte für die Jungs jedoch kein Problem dargestellt haben, schließlich wollten sie ja trainieren und nicht über den Rhein treiben. Zudem kann es auch nicht so schlimm gewesen sein, denn ich durfte das Ganze noch einmal wiederholen und zur Krönung von Neuwied bis zum KCfW steuern. Falsch, die Krönung war, dass ich von Neuwied nach Bonn komplett und auf der Fahrt von Neuwied zum KCfW ein Teilstück mit den Jungs rudern durfte. Natürlich nicht im Regattatempo, aber dennoch zügig. Größtes Kompliment „Einsatz gehalten, ruhig auf der Rolle. Du hast nicht gestört“.
Alles eine gute Vorbereitung auf mein großes Ziel „Island“… der 23. August rückt schließlich immer näher. Am 17. August dann die niederschmetternde Nachricht, Island führt wegen steigender Corona-Fallzahlen eine Einreisequarantäne für alle Touristen ein. Bislang war Deutschland ausgenommen. Jetzt heißt es PCR-Test am Flughafen, ab ins Hotel, 5 Tage später zweiter PCR-Test. Erst wenn beide Test negativ sind, kann mit der eigentlichen Reise begonnen werden. Ziemlich blöd, bei Wechselquartieren und wenn man von 17 Tagen 13 Rudertage geplant hat. Dann die nächste Nachricht, kein Campingplatz, kein Hostel, keine Quartiere mit gemeinschaftlichen sanitären Anlagen. Und das war dann das endgültige Aus. Die Reise wurde abgesagt.
Und jetzt? Treffen wir uns einfach alternativ mit der Gruppe (größtenteils KSTler) auf Rügen zum Rudern. Ist ja schließlich fast das gleiche wie Island. Nur ohne Vulkane, Eislagunen, Fjorde, Geysiere etc.
Gesagt getan. Unser Standquartier für die Zeit vom 3. bis 7. September war das NoHotel in Dranske auf Rügen. Getroffen wurde sich gegen Mittag in Suhrendorf auf der Halbinsel Ummanz. Gruppe kennenlernen, Boote abladen, aufriggern etc.. Irgendwie sehen die Boote anders aus, wie die Boote die ich bis dahin kannte. Nicht verwunderlich, es sind Inrigger. Also See-Gig-Boote, breiter, kürzer, wellengängiger und mit kurzen Auslegern. Zum Rudern sollte ich allerdings vorerst nicht kommen, denn wir sollten unterbesetzt nach Dranske rudern und damit wir auch noch im Hellen ankommen, entschied unser Obmann Patrik, dass er und Wawa (wahnsinniger Wanderfahrer – 16 Äquatorpreise) rudern und ich steuere. Moment mal, über den Bodden auf die offene Ostsee? Nee nee nee. Doch doch doch. „Sei froh, dass wir heute noch so gute Bedingungen haben“. Na vielen Dank auch. Kein Steg zum einsetzen, Kneippkur und Fangopackung war angesagt. Irgendwann saß dann jeder auf seinem Platz und es konnte losgehen. Merkwürdiges Gefühl, wenn man die erste halbe Stunde nur eine Handbreit Wasser unter dem Kiel hat. Später in der Fahrrinne wurde es dann merklich besser. Seekarte auf dem Schoss, an den Tonnen orientieren und irgendwie ohne allzu großen Umweg Dranske finden. Doof nur, dass es irgendwann eine letzte Tonne gibt und man dann raten darf oder einfach nur gut navigieren kann, räusper. Ernsthaft, dank Google bekam ich dann den Standort, wo wir an Land gehen sollten. Beim ersten Versuch hatte ich mich zwar für die falsche Einfahrt entschieden, da man zwischen den Wellenbrechern widererwarten nicht hin- und herfahren kann. Aber im zweiten Anlauf hat es dann geklappt. Boot raus und ab in die Unterkunft.
Am nächsten Morgen dann Tourbesprechung und Bootseinteilung. Es sollte nach Kloster auf Hiddensee gehen. Hörte sich erst mal recht spannend an. Unter Windstärke 5 bis 6 konnte ich mir eh nicht viel vorstellen. Als ich die Brandung sah, bekam ich jedoch nicht nur vom Wasser sprichwörtlich kalte Füße. Half ja nix. Es war quasi ein fliegender Start. Ins Boot springen, anschieben lassen, los rudern. Nicht fragen, machen. Einstellen können wir später noch. Nein, ich war überhaupt nicht überfordert. Ich habe nur einen Krebs nach dem anderen gefangen, was bei dem Wellengang nicht wirklich lustig war. Obmann Patrik und an dem Tag auch Steuermann fragte mich, ob es überhaupt Sinn machen würde oder ob wir nicht lieber wieder an Land sollten. Ich war sowohl der Verzweiflung als auch den Tränen nahe. Es konnte doch nicht sein, dass ich das Rudern verlernt hatte. Zumindest auf Backbord, auf Steuerbord ging es einwandfrei. Da drehte sich Jochen rum und sagte „Doch, es hat Sinn, die Dolle ist bloß falsch herum“. An Peinlichkeit eigentlich nicht zu überbieten, aber vor lauter Aufregung bzw. im Eifer des Gefechts hatte ich meinen Ruderplatz nicht noch mal kontrolliert. Bei Windstärke 6 und meterhohen Wellen, kann man dann auch in aller Ruhe die Dolle aufdrehen, Skull raus, Dolle drehen, Skull wieder einsetzen, Dolle zudrehen. Das Boot hat zwar keinerlei Ruderwirkung und treibt wie ne Nußschale rum, aber was soll‘s. Endergebnis, ich kann doch noch rudern. Dank Patrik und seiner Erfahrung kamen wir dann auch tatsächlich in Kloster an. Bloß wo waren die anderen? Kurz drauf die Nachricht, sie haben es nicht geschafft, sind an der ersten Tonne bereits umgekehrt. Und das Novizenboot (zwei Anfänger, zwei alte Hasen) sollte es als einziges von drei Booten geschafft haben? Unmöglich! War aber so. Da wir ziemlich viel Wasser übernommen hatten und völlig durchnässt waren, wurde sich ausgezogen so weit möglich und die Klamotten in die Sonne gehängt. Zur Belohnung gab es dann ein Fischbrötchen und ein Radler beim „Räucherfisch Willi“. Und da ja auch ein wenig Kultur sein muss, haben wir einen Spaziergang zum Leuchtturm unternommen und uns noch einen Cappuccino und ein Stück Sanddornkäsekuchen gegönnt. Nachdem wir genug Kräfte für den Rückweg gesammelt hatten, ging es zurück nach Dranske. Klamotten trocknen hätten wir uns allerdings sparen können. Wir kamen wieder genauso nass an, dieses Mal jedoch auf der Ostseite im Bodden. Wir wurden mit „Da kommen die Helden ja endlich“ zum Abendessen begrüßt und ich muss sagen, ich war ja schon ein wenig stolz.
Am nächsten Tag wurde entschieden nicht wieder auf die Ostsee zu fahren, sondern im Bodden zu bleiben. Die Verhältnisse hatten sich noch etwas verschlechtert und es würde ohnehin schwierig genug, überhaupt zu rudern. Als Ziel wurde Breege ausgemacht. Gleiches Boot, gleiche Mannschaft. Dieses Mal steuerte Jochen. Zwischenzeitlich fühlte ich mich weniger wie auf Ruderplatz eins, eher im Hauptwaschgang mit Vorwäsche. Er hat keine Welle ausgelassen und mich ordentlich mit Ostseewasser bedacht. Aber alles halb so schlimm. Es waren immerhin 13 Grad. In Island wäre es kälter gewesen. In Breege angekommen und leicht illegal an einem Privatsteg angelegt (verbotener Weise über einen Zaun klettern inklusive), Klamotten aus, Fischbrötchen essen, Klamotten an und zurück. Nix ausruhen, Kräfte sammeln. Die Verhältnisse sollten sich nochmals verschlechtern, so dass Eile geboten war. „Du steuerst!“ Na bravo. Wir sollten uns am Schilf entlanghangeln und möglichst den Windschutz vom Land suchen. Leichter gesagt als getan, wenn man so gut wie kein Wasser unterm Kiel hat und die zweite Bucht einem Mienenfeld gleicht. Ein Stein neben dem anderen. Zum Glück haben Kormorane die meisten kritischen Stellen markiert. Unterm Strich half es nicht viel, ich musste weiter raussteuern Richtung Fahrrinne. Stärkerer Wind, heißt mehr bzw. höhere Wellen. Und wenn man dann keine Ahnung hat, was man da eigentlich macht… aber was hat Biggi Korch gesagt „Du fährst doch Motorrad, Wellen muss man im Arsch haben“. Und das habe ich augenscheinlich. Wir haben deutlich weniger Wasser bei schlechteren Bedingungen übernommen und ich bin regelrecht hoch und wieder runtergesurft. Nur irgendwie hat man mir den Spaß, den ich dabei hatte nicht wirklich angesehen, denn Patrik meinte, ich solle mal Lachen und nicht so angestrengt gucken. Meine Mannschaft war jedenfalls sehr zufrieden mit mir und ich mächtig stolz.
Tag Drei – Landtag – keine Wellen, aber Wind und Wasser (Regen) satt. Die Boote 2 und 3 wollten es dann an diesem Tag nochmals nach Hiddensee wagen, was ihnen auch gelungen ist. Während wir uns Kap Arkona, Prora und Binz angesehen haben.
Am letzten Tag ging es noch mal im Ruderboot über den Bodden nach Ralswiek, wo wir mit dem Hänger abgeholt werden sollten. Und weil ich ja bereits zwei Tage zu vor meinen Surfschein erworben hatte, wurde ich erneut als Steuerfrau auserkoren. Die Bedingungen waren, sagen wir „na ja“. Es sah zuerst einmal recht ruhig aus, aber das war im wahrsten Sinne des Wortes die Ruhe vor dem Sturm. Kaum waren wir an der Zufahrt zum Jasmunder Bodden angekommen, war wieder Wellenreiten angesagt. Wenn die Wellen ja wenigstens immer gleich wären. Vor allem waren sie kaum vorhersehbar und tauchten teilweise aus dem Nichts auf. Einmal sind wir gefühlt mehrere Sekunden auf einer Welle gesurft. Ein Wahnsinns Gefühl. Man hängt echt in der Luft und ist der Wassergewalt ausgeliefert. Aber es macht unheimlich Spaß und Patrik meint, ich würde steuern, als hätte ich noch nie was anderes gemacht. Nach einem etwas ungewöhnlichen Kurs, okay kleinem Umweg, da ich eine Tonne übersehen bzw. die Karte falsch gelesen, fand ich letztlich aber doch die Einfahrt nach Ralswiek. Und einen perfekten Sandstrandabschnitt zum Anlegen. Ein letztes Mal nasse Füße, Boot raus, abriggern, Boot verladen. Schade, dass es schon vorbei war. 148 wunderschöne Kilometer. Ich habe enorm viel gelernt und bin dankbar, dass ich das alles erleben durfte.
Fahrtenleiter Stefan meinte jedenfalls, es sei die perfekte Generalprobe für Island gewesen. Schocken kann mich jetzt zumindest nicht mehr viel. Hoffen wir nur, dass die Tour im nächsten Jahr stattfinden kann.
Eins möchte ich Euch allerdings noch sagen…sollte noch einmal jemand über Wellen auf dem Rhein jammern, dem spendiere ich einen Tagestrip bei Windstärke 6 auf der Ostsee. DAS sind Wellen. Ich garantiere Euch, derjenige wird anschließen nie wieder jammern.
Corinna Schneider